MFA-Akademie - Modul 1

Impf-Basics: Die wichtigsten Grundlagen

19. April 2024
Lesedauer: 3 Min.
Illustrierte Grafik von drei Akademie-Absolventinnen

Die Möglichkeit teils tödliche verlaufende Erkrankungen präventiv durch Impfungen zu verhindern, ist ein wertvolles Gut der modernen Gesellschaft. Ein kleiner Piks, der für unsere Lebensqualität und -erwartung eine große Auswirkung hat.

Doch was passiert eigentlich in unserem Körper im Zuge einer Impfung und welche Inhaltstoffe sind wofür wichtig? Was können Sie in der Praxis machen, um eine gute Qualität und Wirksamkeit der Impfstoffe zu sicherzustellen und was gibt es für neue Impfempfehlungen von der STIKO im Jahr 2024?

Die Antworten auf diese Fragen sowie viele hilfreiche Tipps für die Praxis erhalten Sie in den folgenden Kurzzusammenfassungen des 1. Moduls der MFA-Akademie 2024.

  • Vortrag 1: Impfstoffe und das Immunsystem: So funktioniert Impfprävention

    Angeborene Immunantwort Adaptive Immunantwort
    Erste Linie der Abwehr, pathogen-unspezifisch Zweite Linie der Abwehr, pathogen-spezifisch 
    Von Geburt an vorhanden, verändert sich nicht Entwicklung im Laufe des Lebens, passt sich an
    Durch Gefahr oder Schaden aktiviert Aktiviert durch spezifische Antigene
    Wirkt schnell Langsame Reaktion
    Aktivierung der adaptiven Immunantwort Immungedächtnis
    Die Organe unseres Immunsystems
    Primäre lymphatische Organe wie Knochenmark, Thymus > Bildungs- und Reifungsstätte der Immunzellen Sekundäre lymphatische Organe wie Lymphknoten, Milz, Mandeln, etc. > Arbeitsstätte der Immunzellen
    Die Zellen unseres Immunsystems (Leukozyten, weiße Blutzellen)
    Neutrophile
    Basophile
    Eosinophile
    Mastzellen
    Natürlichen Killerzellen
    Dendritische Zellen
    Makrophagen
    T-Lymphozyten 
    B-Lymphozyten (bilden Antikörper)
    Angeborene Immunantwort Adaptive Immunantwort
    Erste Linie der Abwehr, pathogen-unspezifisch Zweite Linie der Abwehr, pathogen-spezifisch 
    Von Geburt an vorhanden, verändert sich nicht Entwicklung im Laufe des Lebens, passt sich an
    Durch Gefahr oder Schaden aktiviert Aktiviert durch spezifische Antigene
    Wirkt schnell Langsame Reaktion
    Aktivierung der adaptiven Immunantwort Immungedächtnis

    Das Immunsystem unterscheidet „fremd“ von „selbst“ und kann in angeboren und adaptiv unterteilt werden. Zum angeborenen Teil gehören auch Barrieren wie z.B. Haut oder Schleimhäute, die vor Krankheitserregern und Fremdkörpern schützen. Jede Zelle hat Sensoren, die Krankheitserreger unspezifisch erkennen, worauf Faktoren gebildet werden, welche eine Infektion erschweren. Durch Botenstoffe, z.B. Interferone, wird Alarm ausgelöst, infizierte sowie benachbarte Zellen fahren die Verteidigung hoch und Zellen des angeborenen Immunsystems werden angelockt. Makrophagen oder dendritische Zellen werden aktiviert, nehmen Erreger und Erregerbruchstücke auf und präsentieren sie in Lymphknoten dem adaptiven Teil des Immunsystems, den B- und T-Zellen. Jede B-Zelle kodiert einen etwas anderen Bauplan für einen Antikörper, und jede T-Zelle einen etwas unterschiedlichen T-Zellrezeptor – mit Milliarden Variationen. Passen diese auf den Erreger oder auf präsentierte Bruchstücke, werden diese B- und T-Zellen stimuliert, vermehren sich und erwerben neue Eigenschaften. T-Helferzellen koordinieren die Immunantwort, und Effektor-T-Zellen töten infizierte Zellen. B-Zellen vermehren sich, Antikörper werden nachgereift, und es entstehen langlebige, Antikörper produzierende Plasmazellen. Zudem bilden sich Gedächtniszellen, die bei einem erneuten Erregerkontakt sofort bereitstehen. Antikörper können Krankheitserreger und infizierte Zellen inaktivieren und für Fresszellen, Killerzellen oder das Komplementsystem zur Zerstörung markieren. Die wichtigsten Antikörperklassen sind IgG im Blut und IgA auf der Schleimhaut, zu Beginn wird IgM produziert. 



    Impfungen generieren eine schützende Immunantwort ohne Erkrankung. Dazu nutzt man Lebendimpfstoffe, das sind abgeschwächte Erreger, die keine Krankheit mehr auslösen, oder Totimpfstoffe. Das sind abgetötete Erreger oder deren Bestandteile, die auch durch gentechnische Methoden in Zellkulturen hergestellt werden können oder wie bei den mRNA-Impfungen direkt im Körper des Geimpften. Ohne sich vermehrende Krankheitserreger fehlt oft die anfängliche Stimulation der Zellen des angeborenen Immunsystems, so dass die Immunantwort schwach ausfällt. Hier kommen Adjuvanzien ins Spiel: Dies sind Substanzen, die eine kontrollierte, lokale Entzündungsreaktion auslösen, um die notwendige Stimulation des Immunsystems zu erreichen. Diese anfängliche Stimulation des Immunsystems verursacht einen Großteil der Nebenwirkungen bei Totimpfstoffen, was aber in der Regel harmlos ist. Darüber hinaus können Adjuvanzien die Immunreaktion steuern, so dass je nach Bedarf z.B. eine starke Antikörper- oder T-Zellantwort gebildet wird.

    A

    Impfungen gewähren sowohl individuellen Schutz als auch Schutz vulnerabler Menschen, die z.B. nicht geimpft werden können. Schützt eine Impfung nicht nur vor Erkrankung, sondern auch vor Übertragung und sind genug Menschen immun, kann eine Erkrankung sogar ganz ausgerottet werden.

    Referenzen:

    1. Plotkin‘s Vaccines, Edition 7

    2. Pollard & Bijker Nature (2021) 21:100 - A guide to vaccinology: from basic principles to new developments; https://doi.org/10.1038/s41577-020-00479-7

  • Vortrag 2: Impfmanagement: Dos & Don‘ts im Umgang mit Impfstoffen

    Bei der Durchführung von Impfungen gibt es zum optimalen Schutz des Patienten und bestmöglicher Wirksamkeit des Impfstoffes ein paar wichtige Punkte zu beachten:

    Impfstoffe müssen im Temperaturbereich von 2°-8°C gelagert werden. Bei Lebendimpfstoffen muss auch der Transport lückenlos in der Kühlkette erfolgen. Im Fall einer Fehllagerung ist der Impfstoff zu verwerfen, da dadurch die Wirksamkeit beeinträchtigt ist und eine deutlich erhöhte Reaktogenität auftreten kann.

    Nach der Prüfung des Impfstoffes bezüglich der Laufzeit und einer Partikelfreiheit wird nach vollständiger Abtrocknung des Desinfektionsmittels i.d. Regel tief intramuskulär in den Deltamuskel appliziert. Zur Vermeidung von Lokalreaktionen durch Impfstoffreste an der Kanüle darf die Spritze nicht über die Kanüle entlüftet werden.

    Eine Aspiration wird bei Applikation in den Deltamuskel nicht mehr empfohlen. Ebenso sollte eine Manipulation des Infektionsortes z.B. durch Drücken oder Reiben („Einmassieren“) unterbleiben.

    Die explizite Kontrolle des Impferfolges ist frühesten nach 4-6 Wochen möglich. Erforderlich ist sie nach Impfung von Patienten unter Immunschwäche bzw. bei der Indikationsimpfung von erwachsenen Patienten gegen Hepatitis B. Bei Patientinnen mit offener/unklarer Windpocken-Anamnese ist eine Prüfung auf Varizellenantikörper ebenfalls sinnvoll.

    Eine routinemäßige Titerkontrolle zur Klärung der Notwendigkeit von Standardimpfungs-Boostern ist nicht sinnvoll und nur in Ausnahmefällen erforderlich.

    Referenzen

    Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2024. Epid Bull 2024;4:1- 72 | DOI 10.25646/11892

  • Vortrag 3: STIKO-Update: Die neusten STIKO-Empfehlungen auf einen Blick

    Die Ständige Impfkommission (STIKO) versteht sich als unabhängiges Expertengremium, welches zur Hauptaufgabe hat, die für Deutschland geltenden Impfempfehlungen auf Basis wissenschaftlicher Evidenz zu erarbeiten, veröffentlichen und stetig zu überprüfen. Anpassungen der Impfempfehlungen und deren wissenschaftliche Begründung werden u.a. in dem wöchentlich erscheinendem Epidemiologischen Bulletin (Epid Bull) des Robert-Koch-Institutes (RKI) veröffentlicht. Besonders wichtig ist das 4. Epid Bull eines jeden Jahres, dieses umfasst alle Impfempfehlungen der STIKO und beleuchtet die Änderungen und Ergänzungen, die es über das letzte Jahr gegeben hat. In den diesjährig aktualisierten allgemeinen STIKO-Empfehlungen hat es u.a. drei wichtige Änderungen gegeben, die in dem Standardimpfkalender abgebildet sind. Diese Änderungen beziehen sich auf die Impfempfehlungen für COVID-19, Pneumokokken und Meningokokken B. Der STIKO-Standardkalender bildet das Mindestangebot an Impfungen ab, welches jeder Bürgerin und jedem Bürger in Deutschland angeboten werden sollte.

    A

    COVID-19

    In Bezug auf die COVID-19-Impfempfehlung gab es eine Anpassung bezüglich der hybriden Immunität sowie der Auffrischimpfung. Personen ab 18 Jahren sowie Personen ab 6 Monaten mit relevanten Grunderkrankungen sollen eine Basisimmunität gegen SARS-CoV-2 erhalten. Diese Basisimmunität soll durch 3 SARS-CoV-2-Antigenkontakte, von denen mind. einer durch eine Impfung erfolgen soll, hergestellt werden. Die Reihenfolge der natürlichen Infektionen und der Impfung ist dabei irrelevant sofern mind. 3 Monate Abstand zwischen den Ereignissen liegen. Personen ab 6 Monaten mit relevanten Grunderkrankungen, Personen ab 60 Jahren, Bewohner*innen in Einrichtungen der Pflege sowie medizinisches Personal und enge Kontaktpersonen sollen zudem eine jährliche Auffrischimpfung mit einem varianten-angepassten Impfstoff, vorzugsweise im Herbst, erhalten. 

     

    Pneumokokken

    Seit vergangenem Jahr ist in Deutschland ein 20-valenter Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (PCV) gegen Pneumokokken zugelassen und von der STIKO für Impfungen von Personen über 18 Jahren empfohlen. Die Standardimpfempfehlung umfasst Personen ab 60 Jahren. Diese sollen einmalig mit PCV20 geimpft werden. Sollten diese Personen bereits eine Dosis PPSV23 (Poly-Saccharid-Impfstoff) erhalten haben, so sollte nach einem Mindestabstand von 6 Jahren einmalig PCV20 geimpft werden. Auch die Indikationsimpfempfehlung für Personen ab 18 Jahren wurde entsprechen angepasst. Personen ab 18 Jahren mit Indikation sollen einmalig mit PCV20 geimpft werden. Sollte bereits eine sequenzielle Impfung oder eine Impfung mit PPSV23 stattgefunden haben, so erfolgt die PCV20-Impfung mit einem Abstand von min. 6 Jahren. Dieser kann bei schwerer Immundefizienz auf 1 Jahr verkürzt werden. Ebenfalls nach einem Jahr sollte geimpft werden, sofern die Personen bisher nur mit PCV13 oder PCV15 geimpft wurde.

     

    Meningokokken B

    Seit diesem Jahr empfiehlt die STIKO erstmalig die Meningokokken-B-Impfung als Standardimpfung für Säuglinge ab 2 Monaten mit dem 4CMenB-Impfoff. Die 2+1 Impfserie sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt im 1. Lebensjahr begonnen werden und die Impfungen im Alter von 2, 4 und 12 Monaten erfolgen. Nachholimpfungen können bis zum 5. Lebensjahr nachgeholt werden. Entsprechend der Fachinformation erhalten Kleinkinder zwischen 12-23 Monaten 2 Impfstoffdosen im Abstand von 2 Monaten und eine 3. Dosis im Abstand von 12-23 Monaten nach der 2. Impfstoffdosis. Kinder ab einem Alter von 2 Jahren erhalten nur noch 2 Impfstoffdosen, die im Abstand von mind. 1 Monat verabreicht werden sollen. Um die frühestmögliche Impfung gegen Meningokokken B zu gewährleisten, empfiehlt die STIKO zur Verringerung der Anzahl an Impfterminen die Koadministration von bis zu 3 Injektionsimpfstoffen. Zur Vermeidung von Fieber oder Schmerzen nach der MenB-Impfung, insbesondere bei Koadministration, ist eine prophylaktische Paracetamol-Gabe empfohlen. Diese soll zeitgleich mit der Impfung oder kurz danach begonnen und für mind. 24 Stunden weitergeführt werden.

    Referenzen

    1. Epid Bull 2023;39:3-44 | DOI 10.25646/11719

    2. Epid Bull 2024;4:1- 72 | DOI 10.25646/11892

    3. Epid Bull 2024;3:3-32 | DOI 10.25646/11900

    4. Epid Bull 2024;4:1- 72 | DOI 10.25646/11892

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