Was nützen Impfungen in der Arbeitsmedizin?
Betriebliche Impfempfehlungen haben in den vergangenen Jahrzehnten beachtliche Erfolge erzielt. Dieser Artikel gibt eine Übersicht und zeigt zugleich gewaltige Potentiale auf, die bisher nicht ausgeschöpft werden.

Hepatitis B: Erfahrung aus dem Arbeitsalltag
Die Hepatitis-B-Impfung wurde 1982 in Deutschland eingeführt und zunächst u. a. für medizinisches Personal empfohlen.2 Ihr Nutzen zeigte sich schon wenige Jahre später am Universitätsklinikum Freiburg: Während zwischen 1979 und 1986 noch über 40 Hepatitis-B-Fälle gemeldet wurden, sank die Zahl der Meldungen in den Jahren 1987 – 1995 auf nur 2 Fälle.3 Eine bundesweite Auswertung zu gemeldeten Fällen von Hepatitis B und C lässt vermuten: Der Rückgang der Hepatitis-B-Fälle ist wahrscheinlich nicht auf externe Faktoren zurückzuführen, da ein vergleichbarer Rückgang bei Hepatitis C erst in den 2010er-Jahren zu beobachten war.4
Influenza: Bedeutung der Durchimpfungsrate
Influenza gilt gemeinhin als sehr ansteckende Infektionskrankheit. Epidemiologische Analysen zeigen jedoch, dass das Influenzavirus historisch, zum Beispiel zur Zeit der „Spanischen Grippe“ (1920-21), einen Basisreproduktionswert (R₀) von maximal 4 aufwies. 5 Gemeint ist damit die statistische Anzahl von weiteren Personen, die eine erkrankte Indexperson mit Influenza ansteckt. In den vergangenen Jahrzehnten lag dieser Wert für Influenza sogar nur im Bereich zwischen 1,3 und 1,5 und damit deutlich niedriger als z.B. bei Masern (R₀: 10 – 15).6 Legt man einen für die Influenza hohen R₀-Wert von 1,5 zu Grunde und geht von einer Effektivität des Impfstoffs von 50% aus, würde eine Impfquote von 75% innerhalb einer Gemeinschaft entsprechend mathematischer Modellierungen für die sogenannte „Herdenimmunität“ ausreichen.5 Selbst in einer Saison wie 2023/24, wo die Impfstoffeffektivität bei lediglich 44% lag, ist die notwendige Impfquote für eine ausreichende Herdenimmunität mit 80% nur geringgradig höher.5,7 In kleineren Gruppen lassen sich solche Impfquoten bei konsequenter Umsetzung von Impf-Empfehlungen durchaus erreichen. Das bedeutet für die Praxis: In Betrieben, vor allem im Gesundheitswesen, kann eine hohe (Influenza-)Impfquote helfen, Infektionsketten zu unterbrechen, vulnerable Personen zu schützen und den regulären Betrieb aufrecht zu erhalten – ein realistisches und lohnendes Ziel in Zeiten großer finanzieller Belastungen.
Atemwegserreger: Anstieg der Krankmeldungen & Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft
Seit 2022 verzeichnete Deutschland außergewöhnlich hohe Krankenstände, vor allem aufgrund von Atemwegs- und Infektionskrankheiten wurde ein Anstieg von ca. 30 % beobachtet.8 Laut einer Studie der DAK-Gesundheit sind nur 1/5 dieses Anstiegs COVID-19-Erkrankungen zuzuschreiben.9 Der hohe Krankenstand bremste das Wirtschaftswachstum erheblich: Denn wenn Arbeit entfällt, wird weniger erwirtschaftet. Ohne die zusätzlichen Fehlzeiten hätte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2023 statt einer Schrumpfung („Rezession“) von 0,3 % ein Plus von 0,5 % erzielt. Insgesamt entstand daher am Bruttoinlandsprodukt ein wirtschaftlicher Schaden von ~ 26 Milliarden Euro.8 Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für 2025 sieht ~ 19 Milliarden Euro als Etat für das Bundesministerium für Gesundheit vor10.
Mut zur (Impf-)Lücke?
Im Rahmen einer retrospektiven Studie aus Deutschland in den Jahren 2015 – 2020 wurden 5.999 arbeitsmedizinische Vorsorgen untersucht. Dabei wurde der Impfstatus bei 1.310 Beschäftigten (1126 Personen mit Infektionsgefährdung und 184 mit anderen Vorsorgen) aus 47 Betrieben hinsichtlich Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis und Masern ausgewertet. Lediglich bei 26,9 % bestand ein vollständiger Impfschutz – das bedeutet, dass 73,1 % der Beschäftigten Impflücken aufwies.1
Insbesondere bei Atemwegserregern wurde ein hoher Impfbedarf aufgedeckt: Nahezu 87 % der Angestellten ≥ 60 Jahren waren unzureichend gegen Pneumokokken geimpft. Der Anteil der Angestellten ≥ 60 Jahren ohne aktuelle Influenza-Impfung innerhalb der letzten Saison war mit 80 % nur geringfügig kleiner. Eine Pertussis-Impfung im Erwachsenenalter konnten immerhin fast 60 % der Beschäftigten aufweisen, aber auch hier hatten ca. 40% keinen Schutz.1
Aktuelle Empfehlungen für medizinisches Personal
Die STIKO empfiehlt zahlreiche zusätzliche Schutzimpfungen für Personal in medizinischen Einrichtungen und/oder Pflegeeinrichtungen mit direktem Kontakt zu Patienten/Bewohnenden oder für gefährdetes Laborpersonal, je nach Gefährdung unter anderem: COVID-19, Hepatitis A und B, Influenza, Masern, Mumps, Röteln, Meningokokken, Pertussis, Poliomyelitis, und Varizellen.11,12 Die aktuell gültigen Empfehlungen finden sich in der Regel im Epidemiologischen Bulletin Nummer 4 des aktuellen Jahres.
Referenzen
1. Jungbluth M et al. Zbl Arbeitsmed (2024).
2. https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_HepatitisB.html (eingesehen am 11.06.2025).
3. Dt Ärztebl 1996; 93: A-3122–3126.
4. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 57: 156–161.
5. Plans-Rubió P. Prev Med. 2012 Jul;55(1):72-7.
6. Fine P et al. Clin Infect Dis. 2011 Apr 1;52(7):911-6.
7. https://www.cdc.gov/flu-vaccines-work/php/effectiveness-studies/index.html (eingesehen am 11.06.2025).
8. https://www.vfa.de/de/wirtschaft-standort/macroscope/macroscope-hoher-krankenstand-drueckt-deutschland-in-die-rezession (eingesehen am 11.06.2025).
9. https://caas.content.dak.de/caas/v1/media/88048/data/df2f10115fcc5a7872373c18c48504dc/250107-download-bericht-rekordkrankenstand.pdf (eingesehen am 11.06.2025).
10. Bundesministerium der Finanzen: Bundeshaushalt - Bundeshaushalt digital (eingesehen am 03.07.2025).
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