Warum Auffrischungsimpfungen so wichtig sind

Bei der J1-Untersuchung  ist eine sinkende Teilnahmerate zu beobachten – nur noch 44 % nutzen die Vorsorgeuntersuchung.

17. September 2024
Lesedauer: 4 Min.
Mädchen bekommt eine Spritze in den Oberarm

Obwohl die J1-Untersuchung dazu beitragen kann, gesundheitliche Probleme zu erkennen, ist eine sinkende Teilnahmerate zu beobachten – nur noch 44 % nutzen die Vorsorgeuntersuchung. Könnte dies zu einer Zunahme impfpräventabler Krankheiten führen? Erfahren Sie, warum Auffrischungsimpfungen so wichtig sind.

Die Jugendgesundheitsuntersuchung J1, die seit 1998 zum Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen gehört, umfasst neben einer umfassenden körperlichen Untersuchung auch eine Beratung über notwendige Impfungen. In den letzten Jahren ist jedoch ein rückläufiger Trend bei den Vorsorgeuntersuchungen zu beobachten.1 Während die Teilnahmequote bei der U9 noch bei ca. 86% bis 92% liegt, beträgt sie bei der J1 nur noch 44%.2 Die entstandenen Lücken in der Impfaufklärung könnten zu einem Anstieg bestimmter Erkrankungsfälle durch fehlende Auffrischimpfungen beitragen.

 

Deutschland 2024: 8193 bestätigte Pertussis-Fälle

In Deutschland steigt die Zahl der Keuchhustenerkrankungen im Jahr 2024 deutlich an, insbesondere bei den 5- bis 19-Jährigen. In den ersten 25 Wochen des Jahres wurden dem RKI bereits 8.193 Fälle gemeldet - mehr als 4,5-mal so viele wie im Vorjahr.3 Nachlassende Impfbereitschaft, Nachholeffekte nach der COVID-19-Pandemie und fehlende Auffrischimpfungen tragen zu diesem Anstieg bei. Zyklische Anstiege von Pertussis beobachtet man alle 4 bis 6 Jahre, im Jahr 2017 war die Inzidenz in KW 25 ähnlich hoch wie jetzt. Diese Anstiege sind, trotz hoher Impfquoten bei Säuglingen, dadurch zu erklären, dass weder die natürliche Infektion noch die Impfung eine lebenslange Immunität induzieren.4 Daher ist eine Auffrischung wichtig. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die erste Auffrischimpfung im Alter von 5-6 Jahren und eine zweite im Alter von 9-16 Jahren.5 Bei der ersten Auffrischimpfung liegt die Durchimpfungsrate nur bei etwa 30 % und sinkt mit zunehmendem Alter rapide ab; im Jahr 2017 lag sie bei den 14-Jährigen unter 10 %. Der Anstieg der Pertussis-Inzidenz in dieser Altersgruppe ist somit nicht verwunderlich.4,6

Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt die Pertussis-Impfung5:

  • Für Säuglinge bestehend aus drei Impfungen im Alter von 2 Monaten, 4 Monaten und 11 Monaten
  • Erste Auffrischimpfung für Kleinkinder im Alter von 5-6 Jahren.
  • Zweite Auffrischimpfung für Jugendliche im Alter von 9-16 Jahren.

 

Abbildung 1: Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Pertussis-Impfung in Deutschland nach Alter im Jahr 20176

 

Wie steht es um die anderen „Jugendlichen“ – Impfungen?

Laut STIKO sollten neben der Auffrischimpfung gegen Pertussis auch die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Polio im Alter von 9 bis 16 Jahren aufgefrischt werden. Ebenso wird die Impfung gegen HPV (Humane Papillomviren) und die Auffrischimpfung gegen Hepatitis B empfohlen.5

 

Hohes Risiko im Jugendalter: Hepatitis B dringend auffrischen

Seit dem Ende der Coronapandemie steigen die Hepatitis B-Infektionen wieder, mit einem Rekordhoch in 2023. Bei den 15 bis 19-Jährigen haben sich die Zahlen der Hepatitis B- Infektionen im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdoppelt.3

Die STIKO empfiehlt die Hepatitis B-Impfung:5

  • Für Säuglinge und Kleinkinder idealerweise als Kombinationsimpfung zusammen mit Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis und Haemophilus influenzae Typ B, im Alter von zwei, vier und elf Monaten.
  • Als Nachholimpfung für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr.
  • Für bestimmte Risikogruppen mit erhöhtem Risiko für Hepatitis B

Am besten früh impfen: Auch wenn Hepatitis-B-Erkrankungen im Säuglingsalter selten sind, besteht hier ein besonders hohes Risiko für einen chronischen Verlauf. In 90% der Fälle verläuft die Hepatitis B bei Säuglingen und Kleinkindern chronisch.7 Die STIKO empfiehlt diese Impfung daher schon im Säuglingsalter mit einem hexavalenten Impfstoff zusammen mit Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis und Haemophilus influenzae Typ B.

Für Jugendliche sind Nachholimpfungen besonders wichtig, da in der Phase der ersten sexuellen Erfahrungen ein erhöhtes Infektionsrisiko durch die Übertragung durch infizierte Körperflüssigkeiten besteht. Auch Tätowierungen und Piercings stellen bei unsachgemäßer Reinigung der Nadeln ein Risiko dar.8

 

Abbildung 2: Anzahl der Hepatitis-B-Erkrankungen in Kindern und Jugendlichen3

Abbildung 3: Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Hepatitis B-Impfung in Deutschland im Jahr 20178

 

HPV – Impfung: Früher Schutz für Mädchen und Jungen

2007 wurde die Humane Papillomaviren (HPV-) Impfung für Mädchen in das Standardimpfprogramm der STIKO aufgenommen und 11 Jahre später auch für Jungen empfohlen.5

Die STIKO empfiehlt die HPV-Impfung:5

  • Für alle Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren.
  • Versäumte Impfungen sollten spätestens bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nachgeholt werden.
  • Die Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Sexualkontakt erfolgen, um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten.
  • Es werden zwei Impfungen im Abstand von mindestens fünf Monaten empfohlen. Wenn die Impfserie nach dem 15. Lebensjahr begonnen wird, sind drei Impfungen

Die angestrebte Durchimpfungsrate von 85 % ist jedoch noch nicht erreicht: Etwa 51 % der 15-jährigen Mädchen und nur 17 % der Jungen sind vollständig geimpft.9

 

Abbildung 4: HPV-Impfquote (in Prozent) (HPV: Humane Papillomviren) nach Alter in Jahren9

 

Sicher durch die Jugend: STIKO-Empfehlungen für Varizellen- und Meningokokken-Impfungen

Die STIKO empfiehlt, bis zum 18. Lebensjahr versäumte Varizellen-Impfungen mit zwei Dosen nachzuholen, entweder als Monoimpfstoff oder in Kombination mit Masern, Mumps, Röteln (MMR). Aufgrund eines zweiten Inzidenzgipfels bei Jugendlichen empfiehlt die STIKO auch eine Nachholimpfung gegen Meningokokken C bis zum 18. Lebensjahr, außer bei vorheriger MenACWY-Impfung, z.B. für Reisen.

 

Fazit für die Praxis – Jetzt aufklären & nachholen!

Es gibt verschiedene Gründe, warum bestimmte Impfungen im Kindesalter nicht durchgeführt wurden. Zum Beispiel sind die Impfempfehlungen weltweit nicht einheitlich, auch in Europa nicht. Die J1-Untersuchung ist eine optimale Gelegenheit, versäumte Impfungen nachzuholen und damit Krankheiten vorzubeugen. Der Hausarzt sollte unbedingt auf diese Möglichkeit hinweisen. Auch bei späteren Arztbesuchen sollte der Impfpass kontrolliert und auf notwendige Auffrischimpfungen hingewiesen werden. Ein kurzer Blick in den Impfpass lohnt sich, um eventuell versäumte Impfungen nachzuholen.

 

Referenzen

1. Jugendgesundheitsuntersuchungen: Teilnahmeraten und Studien zur Wirksamkeit im Hinblick auf das Erkennen von Misshandlungen. 2020. unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/807066/7431c9f37095c7d8a8f5db8c3ce7acab/WD-9-072-20-pdf-data.pdf (Abgerufen am 23.07.2024).

2. Teilnahme an der Jugendgesundheitsuntersuchung J1 - Eine retrospektive Kohortenstudie. 2013. unter: https://www.versorgungsatlas.de/fileadmin/ziva_docs/42/J1_Bericht_Final_20130426.pdf (Abgerufen am 23.07.2024).

3. SurvStat@RKI 2.0.

4. Keuchhusten (Pertussis). 2024. unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html (Abgerufen am 23.07.2024).

5. Epidemiologisches Bulletin: Impfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut. 2024. unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/04_24.pdf?__blob=publicationFile (Abgerufen am 23.07.2024).

6. Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Pertussis-Impfungen in Deutschland nch Alter im Jahr 2017. 2019. unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1043426/umfrage/anteil-kinder-und-jugendlicher-mit-pertussis-impfung-nach-alter/#:~:text=Anteil%20Kinder%20und%20Jugendlicher%20mit%20Pertussis-Impfung%20nach%20Alter%202017&text=Im%20Jahr%202017%20waren%20deutschlandweit,Jahr%20rund%2014%2C8%20Prozent (Abgerufen am 23.07.2024).

7. Schutzimpfung gegen Hepatitis B: Häufig gestellte Fragen und Antworten. 2022. unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HepatitisB/FAQ-Liste_HepB_Impfen.html?nn=2375548 (Abgerufen am 23.07.2024).

8. Anteil der Kinder und Jugendliche mit Hepatitis-B-Impfung in Deutschland nach Alter im Jahr 2017. 2019. unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1043490/umfrage/anteil-kinder-und-jugendlicher-mit-hepatitis-b-impfung-nach-alter/#:~:text=Anteil%20Kinder%20und%20Jugendlicher%20mit%20Hepatitis-B-Impfung%20nach%20Alter%202017&text=Im%20Jahr%202017%20waren%20deutschlandweit,selben%20Jahr%20rund%20ein%20Prozent (Abgerufen am 23.07.2024).

9. Epidemiologisches Bulletin: Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland. 2022. unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/48_22.pdf?__blob=publicationFile (Abgerufen am 23.07.2024).

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