MFA-Webinar: Reise durchs Leben

Auf der Reise durchs Leben begegnet einem die eine oder andere Hürde. Glücklicherweise lassen sich manche dieser Hürden bereits im Vorfeld reduzieren – so beispielweise impfpräventable Erkrankungen.

6. März 2024
Lesedauer: 5 Min.
Großmutter hält lachendes Baby in die Luft

Erfahren Sie mehr über drei in Deutschland häufig unterschätzte Erkrankungen und die Möglichkeiten für deren Prävention. Die wichtigsten und neusten Informationen sowie hilfreiche Praxistipps rund um die Meningokokken, RSV und Gürtelrose (Herpes zoster) haben wir hier kompakt für Sie zusammengefasst.

Vortrag 1: Meningokokken

Meningokokken (Neisseria meningitidis) sind Bakterien, welche weltweit vorkommen und ausschließlich den Menschen infizieren. Ca. 10% der Bevölkerung sind von Meningokokken im Nasen-Rachen-Raum besiedelt, ohne daran zu erkranken. Die Übertragung erfolgt per Tröpfcheninfektion.

Meningokokken sind von einer Polysaccharidkapsel umgeben, welche die Unterteilung in 12 Serogruppen erlaubt. Die meisten invasiven Erkrankungen werden durch die Serogruppen A, B, C, W, X und Y verursacht. In Europa betreffen 62% der Erkrankungen die Serogruppe B, bei Säuglingen unter 1 Jahr sogar 87%. Generell haben Säuglinge das höchste Erkrankungsrisiko, da ihr Immunsystem noch unreif ist und sich Meningokokken durch ihre Kapsel gut der angeborenen Immunabwehr entziehen können. Weitere gefährdete Personengruppen sind z.B. Personen mit Immundefizienz.

Invasive Erkrankungen beginnen meist mit unspezifischen Symptomen und sind daher schwer zu diagnostizieren. Sie verlaufen in der Regel jedoch rasant und können binnen 24-48 h zum Tod führen. 1/3 der Infektionen führt zu einer Meningitis (Hirnhautentzündung), 2/3 zu einer Sepsis. 1 von 10 erkrankten Personen verstirbt, 20% der Überlebenden erleiden Langzeitfolgen, wie etwa Lähmungen, Amputationen, Krampfanfälle oder Taubheit.

Seit 2006 gibt es eine Standardimpfempfehlung für alle Säuglinge im Alter von 12 Monaten gegen Meningokokken C. Auch Personen mit Immundefizienz, Laborpersonal oder Personen auf Reisen in Risikogebiete, bzw. Kinder/ Jugendliche mit Langzeitauslandsaufenthalten sollen gegen Meningokokken ACWY, bzw. Meningokokken B geimpft werden.

Im Januar 2024 veröffentlichte die STIKO eine Standardimpfempfehlung für alle Säuglinge gegen Meningokokken B, welche in der Abbildung zusammengefasst ist.

Vortrag 2: RSV

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) gehört neben der Influenza und SARS-CoV-2 zu den bedeutendsten Erregern von Atemwegsinfektionen in Deutschland. Insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Erwachsenen werden immer wieder schwere Krankheitsverläufe beobachtet.

Die Erkrankung kann auf die oberen Atemwege beschränkt sein, sich aber auch zu einer Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis entwickeln. Im Krankheitsverlauf werden in der Regel zuerst Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege wie Schnupfen, nicht-produktiver Husten und eine Pharyngitis beobachtet. Innerhalb von 1–3 Tagen können die Symptome zu einer Erkrankung der unteren Atemwege fortschreiten und insbesondere für Säuglingen in den ersten Lebensmonaten lebensbedrohlich werden. Aber auch ältere Erwachsene sind regelmäßig betroffen - aufgrund der selten durchgeführten Labordiagnostik wird in dieser Altersgruppe die Krankheitslast allerdings häufig unterschätzt. Zu den Risikofaktoren bei Erwachsenen gehören neben einem höheren Lebensalter von ≥ 60 Jahren, auch Komorbiditäten wie z.B. chronische Herz- oder Lungenerkrankungen und ein schwacher Immunstatus aufgrund von Erkrankungen oder Therapiemaßnahmen.

Häufige Komorbiditäten & Risikofaktoren einer RSV-Erkrankung bei älteren Erwachsenen sind:

Immunsuppression, Diabetes, COPD, Asthma, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Kardiovaskuläre Erkrankungen, Chronisches Nierenversagen

Eine antivirale Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung – lediglich eine Behandlung der Symptome ist möglich.

Erfreulicherweise sind seit letztem Sommer 2023 erstmals in Deutschland zwei RSV-Impfstoffe zugelassen, ein weiterer befindet sich in der Entwicklung. Die zugelassen Impfstoffe zeigen ein gutes Sicherheitsprofil, sind wirksam und eignen sich zum Schutz der Risikogruppen: So ist eine aktive Immunisierung von Personen ab 60 Jahren möglich. Ebenso ein passiver Schutz für Früh- und Neugeborene durch die Impfung der Mutter in der Schwangerschaft. Da die Impfstoffe erst seit kurzem zugelassen sind, gibt es für die RSV-Impfung noch keine STIKO-Impfempfehlung. Die STIKO berät sich aktuell zu diesem Thema und wird sich voraussichtlich im Sommer 2024 zu den unterschiedlichen RSV-Präventionsmaßnahmen (aktive und passive Immunisierung) äußern.

 

Vortrag 3: Gürtelrose | Herpes zoster

Bei der Gürtelrose (Herpes zoster) handelt es sich um eine Sekundärmanifestation einer Infektion mit dem Varizella-zoster-Virus (VZV). Die Erstinfektion mit VZV verursacht die hochansteckenden Windpocken (Varizellen) und erfolgte bis zur Einführung der Varizellen-Impfung meist in der Kindheit. Praktisch alle älteren Erwachsenen über 50 Jahre sind mit VZV infiziert. 

Das Virus etabliert in den Ganglien sensorischer Nerven eine lebenslang persistierende Infektion. Dort kann es oftmals Jahrzehnte lang überdauern, ohne sich zu vermehren und vom Immunsystem entdeckt zu werden. Durch bisher noch nicht endgültig geklärte Auslöser kann es zu einer Reaktivierung und Vermehrung des Virus kommen. Ein intaktes Immunsystem kann die Vermehrung der Viren unterdrücken. Lässt das Immunsystem aber in seiner Leistungsfähigkeit z.B. durch Alterungsprozesse nach, kann das Virus sich wieder vermehren und die Menschen erkranken an einer Gürtelrose. Etwa jeder dritte Mensch ist im Laufe seines Lebens betroffen. Meist sind Menschen im fortgeschrittenen Alter, mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem schwerer betroffen als solche im jüngeren Alter. In seltenen Fällen kann die Gürtelrose mit schweren Komplikationen wie einer Enzephalitis, Meningoenzephalitis oder dem Befall innerer Organe einhergehen und tödlich verlaufen. Besteht das Risiko für einen schweren Verlauf, so ist eine antivirale Therapie gegen Herpes zoster sinnvoll und notwendig.

Grunderkrankungen mit erhöhtem Risiko für eine Gürtelrose (Beispiele, Liste nicht vollständig):

Asthma, COPD, Rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus, erythematodes, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronische Niereninsuffizienz, Onkologische Erkrankungen, HIV, Immundefizienz (angeboren oder erworben)

Wie kommt es zu dem gürtelartigen Ausschlag, welcher genau das Versorgungsgebiet eines Nervs auf der Haut (Dermatom) betrifft? Die bei einer Reaktivierung im Zellkörper eines Nervs entstehende Nachkommen-Viren werden über die vom Ganglion ausgehenden Nervenfasern zur Haut hin ausgeschleust und vermehren sich dort (Bläschen). Die dadurch entstehende Reizung der Nerven kann zu starken Schmerzen führen. In seltenen Fällen verläuft die Erkrankung ohne Ausschlag (Zoster sine herpete). Der Verlauf einer Gürtelrose kann unterschiedlich schwer sein: Kommt es beispielsweise zu einer permanenten Schädigung der Nerven, so spricht man von der Post-Zoster-Neuralgie (oder postherpetischen Neuralgie), welche 5-30 Prozent der Patienten betrifft - eine Komplikation, die mit extremen und dauerhaften Schmerzen verbunden ist. Sollten Hirnnerven betroffen sein, kann es zu Schädigungen des Sehvermögens (Herpes zoster ophthalmicus) oder Gesichtslähmungen (Herpes zoster oticus) kommen. Zudem steigt unmittelbar nach einem Herpes zoster das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall an. 

STIKO: Standardimpfung ab 60 Jahren

STIKO: Indikationsimpfung ab 50 Jahren bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung durch Grunderkrankungen

Impfstoff seit 2020 ab 18 Jahren zugelassen für Personen mit einem erhöhten Risiko (Erstattung vorab klären!)

Zum Schutz vor Herpes zoster gibt es Impfstoffe – die STIKO empfiehlt den rekombinanten, adjuvantierten Herpes-zoster-Subunit-Totimpfstoff. Empfohlen ist dieser als Standardimpfung für alle ab dem 60. Lebensjahr, sowie als Indikationsimpfung bei einem erhöhten Risiko für Herpes zoster durch Grunderkrankungen ab dem 50. Lebensjahr. Nicht von der STIKO empfohlen, aber laut Fachinformation zugelassen ist die Impfung für alle Personen ab 18 Jahren, die ein erhöhtes Herpes-zoster-Risiko (z.B. HIV-Infektion oder Immunsuppression) haben.

 

Referenzen

Vortrag 1:

1. RKI-Ratgeber: Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis), verfügbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/ Merkblaetter/Ratgeber_Meningokokken.html (Zugriff am 20.02.24)

2. Epid Bull 2024;4:1- 72 | DOI 10.25646/118921.

Vortrag 2:

1. Epid Bull 2024;1:3-11 | DOI 10.25646/11880; RKI - RKI-Ratgeber - RSV-Infektionen​

Vortrag 3:

1. S2k Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie“ AWMF-Register-Nr.: 013-023, 2019

2. Epid Bull 04 2024; Gershon et al, Nat Rev Dis Primers. 2015 Jul 2:1:15016. doi: 10.1038/nrdp.2015.16; https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Varizellen.html

Grundlagen Erreger
Kinder
Erwachsene