Haftungsfrage Impfen: 3 Antworten vom Rechtsexperten

Rund um den „kleinen Pieks“ gilt es einiges zu beachten, um Haftungsfälle möglichst zu vermeiden. Dies erstreckt sich von der Aufklärung über die Dokumentation bis hin zu spezifischen Fragestellungen. Medizinrechtsexperte Dr. Kyrill Makoski beantwortet 3 praxisrelevante Rechtsfragen zum Thema Impfen. 

13. Juli 2023
Lesedauer: 3 Min.
medizinischen Klage

Aufklärung ist nicht gleich Aufklärung: Welche unterschiedlichen Formen der Aufklärungspflicht gibt es und was muss man dabei beachten?

Bei der Aufklärung unterscheidet man wesentlich zwischen der Einwilligungsaufklärung (§ 630e BGB) und der Sicherungsaufklärung. 

Die Einwilligungsaufklärung soll dem Patienten den Nutzen und die Risiken des möglichen Eingriffs, also z.B. auch einer Impfung, vermitteln, damit er wirksam seine Zustimmung zu der Behandlung erklären kann. Die Aufklärung hat in einem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient zu erfolgen, wobei der Arzt unterstützend Informationsmaterialien hinzuziehen kann. Aufzuklären ist über alle für die Behandlung wesentlichen Umstände, d.h. insbesondere den Nutzen und die Risiken. 

Die Sicherungsaufklärung dient der Sicherung des Behandlungserfolgs. Bei Impfungen sind dies z.B. das Verhalten nach der Impfung und die Information über mögliche Auffrischungsimpfungen. 

Gerade bei Impfungen ist der Arzt verpflichtet, die Patienten darauf hinzuweisen, welche Impfungen verfügbar sind, und z.B. bei regelmäßigen Abklärungsuntersuchungen auch den Impfpass zu prüfen. Dabei ist zwingend hinzuweisen auf die von der STIKO empfohlenen Impfungen. Auf weitere Impfungen, die von der STIKO (aus welchen Gründen auch immer) nicht empfohlen sind, aber nach dem Urteil der Fachgesellschaften und der Bewertung des einzelnen Arztes für den Patienten sinnvoll sind, sollte der Arzt den Patienten hinweisen. Denn der Arzt hat das medizinische Fachwissen, was den Patienten fehlt.

Dokumentation: Wofür sind Ärzte beim Impfen haftbar und wie sichert man sich dagegen am besten ab? Was sollte beim Impfen dokumentiert werden und was sollte dabei beachtet werden?

Der Arzt haftet grundsätzlich nur dann, wenn er einen Behandlungsfehler macht, z.B. trotz bestehender Kontraindikation impft oder er bei der Injektion eine Verletzung verursacht. Praktisch wichtig ist, wie groß das Verschulden des Arztes ist: Bei einem einfachen Behandlungsfehler („kann passieren“) muss der Patient beweisen, dass der Fehler zu seinem Schaden geführt hat; bei einem groben Behandlungsfehler („darf nicht passieren“) muss der Arzt beweisen, dass sein Fehler nicht den Schaden verursacht hat. 

Ist der Patient richtig aufgeklärt worden und willigt er in die Behandlung ein, dann trägt er das Risiko der Behandlung – d.h. sowohl der Punkte, über die gesprochen wurde, als auch bisher nicht bekannte negative Entwicklungen. 

Wegen dieser erheblichen Auswirkung der Einwilligung trägt der Arzt die Beweislast für die Aufklärung. Es ist also zumindest in der Patientenakte zu dokumentieren, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Sinnvoll sind einige Stichpunkte zum Inhalt des Gesprächs. Gerade bei der Aufklärung zum Impfen kann es auch hilfreich sein, eine umfangreichere Fassung im QM-Handbuch der Praxis festzulegen, die dann bei einem möglichen Haftungsverfahren vorgelegt werden kann. 

Besonders notiert werden sollte, wenn ein Patient eine vom Arzt empfohlene Standardimpfung ablehnt. Es ist auch hilfreich, wenn der Arzt in dieser Situation noch Zeugen für die Information des Patienten benennen kann, z.B. die Arzthelferin. Diese sollte bestätigen können, dass der Arzt bei diesem Patienten eine Impfung empfohlen hat, der Patient sie aber nicht wollte. 

Nicht erforderlich ist, dass der Patient selbst den Aufklärungsbogen oder die Behandlungsverweigerung unterschreibt. 

Zur Sicherheit sollte der Arzt auch (zumindest allgemein) dokumentieren, in welcher Zeit er auf welche Impfungen hingewiesen hat (z.B. durch Aushänge im Wartezimmer).

Apropos Haftung: Kann ein Arzt verklagt werden, wenn er einen Patienten nicht aufgeklärt hat, dass für ihn eine Impfung von der STIKO empfohlen wird und dieser an dieser impf-präventablen Erkrankung schwer erkrankt? Welche Rolle spielt dabei die Schwere der Erkrankung, macht es z.B. einen Unterschied, ob ein Patient „nur“ einen Herpes Zoster bekommt oder auch eine Post-Zoster-Neuralgie? Gibt es Beispiele?

Weist der Arzt den Patienten nicht auf eine von der STIKO empfohlene Impfung hin, verletzt er den geforderten Behandlungsstandard. Entsteht dem Patienten dadurch ein Schaden, ist der Arzt grundsätzlich haftbar. Gerade bei schweren Folgen dürfte es dem Arzt schwerfallen, sich darauf zu berufen, dass der Patient bei korrekter Information sich nicht hätte impfen lassen. Ebenso wenig wird der Arzt beweisen können, dass der Patient auch bei einer Impfung erkrankt wäre. 

In rechtlicher Hinsicht ist es irrelevant, wie schwer die Erkrankung ist. Allerdings führt eine schwerere Folge zu einem höheren Schadensersatz. Zudem fällt es dem Arzt bei nur leichten Folgen einfacher, die fehlende Kausalität seines Fehlers für den „Schaden“ nachzuweisen. 

Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage sind – jedenfalls bei Impfungen – praktisch nicht bekannt. Der Grund dürfte sein, dass in den meisten Fällen eine außergerichtliche Einigung gefunden wird.

Die Fragen wurden beantwortet vom Experten für Medizinrecht:

Ein Baby trägt eine große schwarze Brille und lehnt über einem Buch

 Dr. Kyrill Makoski LL.M. (Boston Univ.)

Möller & Partner

Kanzlei für Medizinrecht

Düsseldorf

Impfmanagement