Respiratorische Synzytial-Virus (RSV)-Infektionen
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in jedem Lebensalter. RSV ist ein einzelsträngiges, unsegmentiertes RNA-Virus. Es gibt zwei RS-Virus-Gruppen, A und B, die sich in der Antigenstruktur des G-Proteins unterscheiden, sich jedoch ein stark konserviertes F-Protein teilen.

Gefährdete Gruppe
Risikopatienten, die schwer an einer RSV-Infektion erkranken können, sind Frühgeborene, Kinder mit pulmonalen Vorerkrankungen (z.B. bronchopulmonale Dysplasie, zystische Fibrose, neurologische und muskuläre Erkrankungen mit eingeschränkter Ventilation) und Kinder mit Herzfehlern mit vermehrter Lungendurchblutung. Bei Erwachsenen sind vor allem ältere Erwachsene ab 60 Jahren, Erwachsene mit kardialen oder pulmonalen Vorerkrankungen sowie alle immundefizienten und immunsupprimierten Personen gefährdet. Als besondere Risikopatienten gelten Empfänger hämatopoetischer Zelltransplantate, Empfänger von Lungen- oder anderen Organtransplantaten sowie stark immunsupprimierte Patienten mit maligner hämatologischer Erkrankung.
Symptome Schnellcheck
Eine RSV-Infektion kann das Symptomspektrum von einer einfachen Atemwegsinfektion (Schnupfen, nichtproduktiver Husten, Fieber eventuell Pharyngitis) bis zu einer schweren beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege (Bronchiolitis, Pneumonie, Tracheobronchitis, Dyspnoe) zeigen oder auch asymptomatisch verlaufen.
Gefahren für Patienten
Komplikationen einer RSV-Infektion treten insbesondere bei Risikopatienten (s. Abschnitt "Gefährdete Gruppe") auf. Bei Patienten aller Altersgruppen mit chronischen pulmonalen und kardialen Vorerkrankungen, mit Asthma und mit schweren neurologischen Erkrankungen kommt es oft zu einer Exazerbation der vorbestehenden Erkrankung. Diese Patienten sowie alle immundefizienten und immunsupprimierten Personen haben ein besonderes Risiko, an einer schweren RSV-bedingten Pneumonie zu erkranken. Sekundäre bakterielle Infektionen kommen bei RSV-Infektionen eher selten vor, Koinfektionen mit anderen respiratorischen Viren sind häufig. Eine häufige Komplikation der RSV-Infektion ist eine akute Otitis media. In bis zu ¾ der Fälle einer akuten Otitis media bei Kindern unter 3 Jahren wird RSV allein oder als Koinfektion mit anderen viralen oder bakteriellen Erregern nachgewiesen. Als Langzeitkomplikation sind wiederkehrende Obstruktionen und eine anhaltende Hyperreagibilität des Bronchialsystems als Folge einer akuten RSV-induzierten Bronchiolitis beschrieben.
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Ätiologie, Pathogenese und Epidemiologie
RSV ist ein weltweit vorkommender Erreger dessen Verbreitung in der Allgemeinbevölkerung lange Zeit unterbewertet wurde. Nach aktuellen Schätzungen kommen RSV-Atemwegserkrankungen jedoch weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1.000 Kindern im ersten Lebensjahr vor. Bei Erwachsenen ab 60 Jahren kam es in Europa 2019 schätzungsweise zu ca. 3 Millionen akuten RSV-Atemwegsinfektionen. Dies entspricht einer Infektionsrate von ca. 1,6% in der entsprechenden Bevölkerungsgruppe.
Bezüglich Saisonalität und Symptomatik ähneln RSV-Infektionen der Influenza. In Mitteleuropa ist die Inzidenz von November bis April am höchsten (RSV-Saison), in den übrigen Monaten kommen sporadische Infektionen vor. Der Gipfel der RSV-Saison erstreckt sich über etwa 4–8 Wochen und liegt meist im Januar und Februar, seltener auch im November und Dezember. In den letzten Jahren wurde außerdem ein jährlicher Wechsel dieser winterlichen RSV-Saison mit einer früheren Saison im September und Oktober beobachtet.

Krankheitsbild
Eine Primärinfektion mit RSV führt fast immer zu einer deutlichen klinischen Symptomatik. Die Erkrankung kann auf die oberen Atemwege beschränkt sein, sich aber auch, insbesondere bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten, als Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis äußern. Ein keuchhustenähnliches Krankheitsbild kommt bei etwa 5% der Fälle mit Beteiligung der unteren Atemwege vor. Fieber ist häufig, wobei von seiner Höhe und Dauer nicht die Krankheitsschwere ableitbar ist. Im Krankheitsverlauf werden in der Regel zuerst Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege (Schnupfen, nichtproduktiver Husten, eventuell Pharyngitis) beobachtet, die innerhalb von 1–3 Tagen zu Symptomen unterer Atemwegserkrankungen fortschreiten können. Meist wird der Husten hierbei deutlicher und produktiver, die Atemfrequenz steigt, und es kann zu einer Dyspnoe kommen.
Über der Lunge sind sowohl knisternde als auch giemende Geräusche auskultierbar. Durch eine Verengung der Atemwege, schlecht belüftete und kompensatorisch überbelüftete Lungenareale (Atelektasen betreffen typischerweise den rechten Lungenoberlappen) und ein niedriges Ventilations-Perfusions-Verhältnis kann es zur Hyperkapnie, Hypoxämie und auch zu einer Zyanose kommen. In einigen Fällen wird eine Beatmung erforderlich.
Insgesamt unterscheidet sich die Symptomatik von Patient zu Patient, und schnelle Veränderungen des klinischen Zustandes sind möglich, weshalb wiederholte klinische Untersuchungen wichtig sind.


Diagnose
Das klinische Bild und das Lebensalter können einen Hinweis auf eine RSV-Infektion geben, zur Sicherung der Diagnose bedarf es jedoch eines Erregernachweises. Wie für andere virale Erreger von Atemwegserkrankungen eignet sich Nasopharyngealsekret aus Nasenrachenspülwasser, -aspiration oder -abstrichen für den Nachweis von RSV.
Methoden des direkten Erregernachweises:
- Genomnachweise mittels PCR: sehr spezifisch, schnell und hochsensitiv, selbst bei geringer Viruslast in der Probe. Zur Verfügung stehen Testsysteme mit RSV-spezifischen Primern und Sonden sowie Multiplex-PCRs zum Nachweis von RSV und anderen Erregern von Atemwegsinfektionen.
- Antigennachweis mittels Schnelltest: Die Tests basieren meist auf Enzym-Immunoassays (EIA), die innerhalb von 20–75 Minuten ein Ergebnis liefern. Sie sind für Personen bis zum 18. Lebensjahr evaluiert. Die Sensitivität von EIA liegt in einem Bereich von 50–90% und ihre Spezifität bei 75–100%, wobei der positive Vorhersagewert stark vom Alter der Patienten und der Saison abhängt. Außerhalb der Saison ist eine Sicherung der Diagnose durch einen Genomnachweis wichtig.
- Viruskultur: Sie war früher der Goldstandard. Sie erfordert Fachpersonal und ist zeitaufwändig, da zytopathische Effekte erst nach 4–7 Tagen auftreten, und ist nicht in jedem Labor durchzuführen. Durch die Verbreitung von Antigen- und Genomnachweisen mit hoher Sensitivität hat sie in den letzten Jahren an Bedeutung verloren.

Therapie
Eine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion existiert nicht.
Die Therapie ist symptomatisch und besteht in ausreichender Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation und Freihalten des Nasopharynx mit NaCl-Nasenspülungen oder -tropfen.
Nach individuellem Zustand des Patienten können Sauerstoffgaben, Atemunterstützung mit CPAP-Maske oder Intubation und Beatmung erforderlich werden. Bei einem Teil der Patienten mit Atemnot kann die Inhalation mit Bronchodilatatoren, insbesondere Adrenalin, helfen, sie beeinflusst den Verlauf einer Bronchiolitis jedoch nicht. Für RSV-assoziierte Apnoen gibt es keine medikamentöse Behandlung, eine stationäre Überwachung ist wichtig.
Als antivirale Therapie steht nur die kaum noch durchgeführte inhalative Ribavirin-Behandlung zur Verfügung. Eine virostatische Wirkung von Ribavirin wurde in vitro nachgewiesen, in Plazebo-kontrollierten Studien zeigte sich bislang kein eindeutiger günstiger Effekt auf die Häufigkeit der Beatmungspflicht, die Dauer der intensivmedizinischen Therapie oder des Krankenhausaufenthaltes bei einer RSV-induzierten Erkrankung und auf die Entwicklung einer Pneumonie. Die Ribavirin-Therapie wird daher nicht mehr empfohlen.
Inhalativ verabreichte Kortikosteroide sind nicht wirksam, die systemische Gabe kann zur Verringerung der Akutsymptome und deren Dauer beitragen.
Antibiotikagaben beeinflussen weder den klinischen Verlauf der RSV-Infektion noch die Dauer der Ansteckungsfähigkeit. Eine antibakterielle Therapie ist nur indiziert, wenn eine bakterielle Koinfektion vorliegt.


Prävention
Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung zugelassen und es gibt keine spezifische Chemoprophylaxe. Zur passiven Immunisierung steht für pädiatrische Risikopatienten ein gegen das F-Protein des RSV-Virus gerichteter monoklonaler Antikörper (Palivizumab) zur Verfügung.
Impfung
Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung zugelassen

Referenzen
1) RKI-Ratgeber: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html;jsessionid=A841527FAE52315065962F067D298511.internet121#doc2394298bodyText2 (Aufrufdatum: 24.11.2022)
2) Savic, M. et al (2022). Respiratory syncytial virus disease burden in adults aged 60 years and older in high-income countries: A systematic literature review and meta-analysis. Influenza Other Respir Viruses 1–10. doi: 10.1111/irv.13031
NP-DE-VX-WCNT-220047, April 2023